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Gott in allem sehen

Gott wird jeden Augenblick in dir geboren – in dem was du sagst, tust und wohin du dich entwickelst. Gott geht beständig in neuer Gestalt in dich ein. In jedem neuen Gedanken, jeder neuen Idee kannst du fühlen, dass ein neuer Gott aufgegangen ist, ein neuer Gott geboren wurde. Und was tut Er dabei? Er führt dich von geringerem Wissen zu größerem Wissen. Bei deiner Geburt wurde Gott in dir geboren. Nun wird Er jeden Moment in dir neu geboren und macht dich dabei besser, freundlicher, weiser und erfüllender. Deine besten Eigenschaften kommen von Gott.


Hinter meinen versteckten Tränen
bereitet Sich Gott
auf einen neuen Sonnenaufgang vor.


Jeder Mensch trägt Gott in sich, aber nicht jeder vermag Gott in seinem Inneren zu erkennen. Man kann Gott nur sehen, wenn man sich nach Ihm sehnt und nach Ihm ruft.
Diejenigen, die nach Gott schreien und zu Gott beten, können Gott verwirklichen. Jedermann hat Hunger, aber nur derjenige kann essen, der das nötige Geld besitzt, um sich Nahrungsmittel zu kaufen. In gleicher Weise trägt jeder Mensch Gott in sich, aber nur wer innerlich nach Ihm schreit, kann Gott erkennen.


Wenn dein ganzes Herz
nach Gott ruft,
wird Gottes ganzes Herz
zu dir kommen.


Warum fühle ich in einer Blume mehr Göttlichkeit als in einem Stück Holz? Ist nicht alles göttlich?

Sri Chinmoy: Göttlichkeit ist in allem. Gott manifestiert Sich in mir und durch mich, in dir und durch dich, in allem und jedem und durch alles und jedes. Doch bei manchen Dingen oder Menschen können wir beobachten, dass diese Göttlichkeit umfassender manifestiert wurde. Was du als Dunkelheit bezeichnest, trägt eine kleine Menge Licht in sich. In diesem Raum gewahrst du Licht, aber dieses Licht kann verstärkt werden. Licht kennt keine Grenzen. Es gibt strahlendes Licht, unbegrenztes Licht und unendliches Licht.
Im Blumen-Bewusstsein wollte Gott ein bestimmtes Maß an Schönheit manifestieren. Gott hielt es nicht für nötig, diese Wand oder ein Stück Holz genauso schön zu gestalten wie eine Blume. Aber das heißt nicht, dass Gott zum Holz oder zur Mauer ungefällig ist. In einem Theaterstück kann es viele Rollen geben - einen König, einen Sklaven oder auch einfache Untertanen. Alle diese Rollen sind wichtig. Mit Königen allein kann man kein Theaterstück machen. Nein, dafür sind Könige, Minister, Untertanen und so weiter nötig.
Auch in Gottes Schöpfung sind viele verschiedene Dinge notwendig. Möchte Gott, dass du Seinen Aspekt der Schönheit würdigst, wird Er dir eine Blume, die Sterne oder ein reizendes Kind vor Augen führen; will Er hingegen, dass du Seine machtvolle Seite würdigst, so wird dir Gott einen Elefanten oder einen Löwen zeigen. Wenn Er möchte, dass du Seine Weite bewunderst, wird Er den weiten Himmel oder den Ozean vor dich bringen, und sollst du Seine winzigste, nichtigste Seite wertschätzen, dann lässt Er dich an das Atom denken. Gott entscheidet also, welchen Seiner Aspekte du besonders schätzen sollst.
Gott verkörpert alle Aspekte, aber in manchen Fällen möchte Er, dass du einen Seiner Aspekte mehr schätzt als andere. Heute möchte Er vielleicht, dass du Seinen Aspekt der Schönheit würdigst, morgen Seinen Aspekt des Friedens und am darauf folgenden Tag vielleicht Seinen Machtaspekt. Jenen Aspekt, den du würdigen sollst, wird Gott in dein Bewusstsein rufen.


Ich gewahre Gott
in der Höhle meines Verstandes,
im Zimmer meines Herzens und
auf der Straße meines Lebens.
Ich gewahre Ihn klar und deutlich!
Darum fühle ich,
dass die Tage meiner Gottverwirklichung
schnell heran nahen.


Auf meiner Suche nach Gott habe ich entdeckt, dass Er mich vollständig umgibt und auch in mir ist. Diese Einheit mit Ihm wird mir mehr und mehr verständlich.
Was ich nicht begreife ist die Trennung. Was ist der Sinn von Trennung?

Sri Chinmoy: Wenn du Gott um dich herum und in dir siehst und fühlst, wie kannst du da ein Gefühl von Trennung haben? In mir ist das Herz; in mir ist die Seele. Wenn etwas außerhalb meines Körpers ist, kann ich vielleicht ein Gefühl von Trennung haben. Aber mein Herz kann ich nicht von meinem Körper oder von mir trennen, denn mein Körper und mein Herz sind Teile voneinander und Teile meines Lebens. Wenn ich das eine vom anderen trenne, existiere ich überhaupt nicht mehr. Wenn du Gott wirklich in dir fühlst, kann es kein Gefühl von Trennung geben.
Was aber geschieht ist, dass du in diesem Moment in deinem Herzen lebst und Gottes Gegenwart in dir fühlst, im nächsten Moment aber in deinem zweifelnden Verstand. Dann zweifelst du an deiner eigenen Existenz und an der Wirklichkeit, die du gerade erfahren hast, und mit dem Zweifel entsteht dieses Gefühl von Trennung. Du fühlst, dass du etwas verlierst, dass du von etwas getrennt bist. Doch du verlierst nichts. Sobald du etwas bekommen hast, befindet es sich in dir. Wenn du aber nicht weißt, wie du jederzeit davon Gebrauch machen kannst, hast du das Gefühl, du hättest es verloren.
Wenn du frühmorgens meditierst, fühlst du Gottes Gegenwart in dir und um dich herum. Nachdem du aber in die Hektik des Alltags eingetreten bist, vergisst du Gottes Existenz vielleicht und dann hast du das Gefühl von Trennung. Doch dieses Gefühl wird nicht durch die tatsächliche Abwesenheit Gottes in dir hervorgerufen. Er ist da, aber die Unwissenheit umfängt dich und verschleiert dein Bewusstsein, das dir noch ein paar Stunden zuvor geholfen hat, dich mit Gott zu identifizieren und dein untrennbares Einssein mit Ihm zu fühlen.
Darum versuchen wir innerlich in ständigem Gebet oder ständiger Meditation zu verweilen. Äußerlich ist das unmöglich. Wir müssen am Boden bleiben. Wir müssen ins Büro oder zur Schule gehen und vielseitig tätig sein. Doch in unserem Geist, in unserem Herzen, können wir tun, was immer wir wollen. Äußerlich sprechen wir vielleicht gerade mit unseren Freunden und werden den Anforderungen des Alltags gerecht; doch innerlich können wir die lebendige Gegenwart Gottes bewahren. Unsere Seele und unser aufstrebendes Herz lassen uns fühlen, dass wir göttlich sind. Genauso müssen wir uns, wenn wir aus dem Haus gehen und uns mit unseren Freunden treffen, immer in Erinnerung rufen, dass wir vom Göttlichen stammen und für das Göttliche existieren – und zwar nicht aus Stolz oder Eitelkeit heraus, sondern aus reiner Notwendigkeit.


Gottes Mitleid steht
hinter jeder deiner Lebenserfahrungen,
ob du es glaubst oder nicht.


Wir müssen das Göttliche nicht nur in uns selbst, sondern auch in anderen fühlen, denn auf diese Weise können wir unser Einssein mit Gott, dem Supreme, in der Menschheit fühlen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist zu fühlen, dass wir alles sind. Doch da könnte leicht ein Gefühl der Überlegenheit aufkommen, was unsere Absicht sofort vereiteln würde. Wenn wir das Gefühl haben, wir allein seien göttlich, während in anderen ungöttliche Mächte ruhen, dann wird dies unweigerlich zu einem Konflikt führen. Fühlen wir hingegen, dass wir unserem Schöpfer, unserem Ursprung gehören, dann werden wir auch versuchen, das Göttliche in anderen zu sehen. Wenn wir spüren, dass wir göttlich sind und das Göttliche auch in anderen sehen können, während wir mit ihnen reden oder beisammen sind, dann werden unsere und ihre Göttlichkeit nicht miteinander streiten oder im Widerspruch zueinander stehen. Unser Gefühl, göttlich zu sein, ist absolut richtig. Gleichzeitig aber müssen wir fühlen, dass andere genauso göttlich sind.
Unsere Schwierigkeit besteht darin, dass wir dieses Gefühl die meiste Zeit nicht haben. Während wir zu Hause beten, sehen und fühlen wir, dass Gott unser ist. Sobald wir jedoch unser Haus verlassen und andere Menschen betrachten, versuchen wir nicht mehr, Gott in ihnen zu sehen, sondern schauen auf ihre Unzulänglichkeiten und bemerken unsere Verschiedenheiten. Nach unserer Meditation verlassen wir unser Herz und treten in den Verstand oder das Vitale ein. Dann beginnen wir uns von anderen abzugrenzen und ihre schlechten Seiten wahrzunehmen.
Aber wenn wir das Göttliche, das wir während unserer Meditation zu Hause gesehen und gefühlt haben, beim Hinaustreten in die Welt mit uns tragen können und dasselbe Göttliche auch in anderen zu sehen versuchen, kann es kein Gefühl der Abgrenzung mehr geben. Wenn wir dieselben Dinge, die wir in uns fühlen, auch in anderen sehen, dann werden wir Gottes Gegenwart nie vermissen und unser Gefühl des Einsseins mit Gott niemals verlieren.


Jedes Mal, wenn ich
innig bete
und selbstlos meditiere,
sehe ich meinen höchsten Herrn
in meinem Herzen
strahlend und wunderschön erblühen.


Was verursacht diese Trennung zwischen Mensch und Gott?

Sri Chinmoy: Die Ursache dieser Trennung ist Unwissenheit. Wir glauben, „ich“ und „mein“ würden uns wirkliche Freude schenken. Es ist wie bei einem Kind: Wenn es sehr rastlos und wild ist, empfindet es nur dann Genugtuung, wenn es jemanden schlägt oder etwas kaputt macht. Das ist seine Art der Genugtuung oder Ruhe. Einem Erwachsenen hingegen bereitet es Freude, ruhig und gelassen bleiben zu können.
Leider glauben die Menschen, glücklich sein zu können, indem sie ihre Individualität und Persönlichkeit beibehalten. Aber das stimmt nicht. Nur wenn wir universell werden, können wir glücklich sein. Individualität und Persönlichkeit werden nur aus der Universalität heraus befriedigt. Wenn ein winziger Tropfen in den Ozean eintaucht, verliert er auf eine Weise seine Individualität und Persönlichkeit; gleichzeitig jedoch wird er zu allem, was der Ozean ist. Will der winzige Tropfen seine individuelle Existenz allerdings um jeden Preis behalten, was kann er dann schon ausrichten? Es ist also die Unwissenheit im Tropfen, die ihn glauben lässt, er könne erfüllt werden, indem er ein Gefühl der Abgrenzung aufrecht erhält, was absurd ist.


Mein Herr,
gibt es irgendeinen Zeitpunkt,
zu dem Du mich nicht liebst?
„Ja, mein Kind.“
Wann, mein Herr, wann?
„Wenn du glaubst,
kein heranwachsender Gott zu sein.“


Wir leben alle in verschiedenen Häusern, haben unterschiedliche Aufgaben zu erledigen usw. Ist das nicht auch schon eine Art von Abgrenzung?

Sri Chinmoy: Ja, aber das ist mit Individualität nicht gemeint. Es ist eine reine Notwendigkeit, die daher kommt, dass wir alle verschiedene Aufgaben haben. Mit meiner Hand schreibe ich, mit meinem Mund esse ich und mit meinen Augen schaue ich. Obwohl sie verschiedene Aufgaben erledigen, sind sie alle Teile meines Körpers. So sollte auch jeder Mensch seine Aufgaben erfüllen, aber ohne ein Gefühl von Ego, sondern mit einem Gefühl des Einsseins. Gott hat mir die Fähigkeit gegeben, etwas Bestimmtes zu tun. Dir wiederum hat Er andere Fähigkeiten gegeben. Lasst uns unsere Fähigkeiten vereinen. Ich werde nicht behaupten, meine Fähigkeit sei besser oder wichtiger als deine und ungekehrt. Das Hauptproblem in dieser Welt besteht darin, dass jeder meint, unendlich viel wichtiger zu sein als alle anderen. Die Schwierigkeiten beginnen dann, wenn du bei deinen Fähigkeiten bleibst und ich bei meinen und wir sie nicht zu vereinen versuchen.