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Ein persönlicher Zugang zu Gott

Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung von Gott. Wenn dich die Vorstellung von Gott als Licht zufrieden stellt, dann ist es völlig richtig, dir Gott als Licht vorzustellen. Jemand anderen erfüllt vielleicht die Vorstellung von Gott als strahlendes Wesen oder wunderschönes Kind. Jeder Mensch muss sich Gott gemäß seinen eigenen inneren Fähigkeiten und seiner inneren Aufnahmefähigkeit vorstellen.
Wenn Gott mit dir zufrieden ist, wird Er sicher in der Form vor dir erscheinen, die du dir wünschst, sei es in körperlicher Gestalt oder als unendlicher Frieden, unendliches Licht und unendliche Seligkeit, wenn dir Seine unpersönliche Form lieber ist. Gott ist mehr als bereit, dir in jener Form zu erscheinen, für die du die größte Hingabe besitzt.
Der persönliche, körperhafte und der unpersönliche Gott sind beides Aspekte desselben Gottes. Der persönliche Gott kommt in lichtvoller Gestalt zu dir – unendlich viel schöner als der schönste Mensch auf Erden. Der unpersönliche Aspekt Gottes sind Seine unbegrenzte Kraft und Energie und Sein grenzenloses Licht. Wenn ein Mensch vor dir steht, siehst du seine Gestalt. Demonstriert er dir aber seine Stärke oder andere Fähigkeiten, so zeigt er dir damit seine unpersönlichen Aspekte. Genauso ist auch Gott sowohl persönlich als auch unpersönlich, mit Gestalt und gestaltlos, und gleichzeitig geht Er weit über alle diese Begriffe hinaus.


Persönlich oder unpersönlich,
mit oder ohne Form –
Gott, der Supreme,
schließt alles mit ein.


Versuche nicht, dich Gott mit deinem denkenden Verstand zu nähern. Das regt nur deine mentalen Vorstellungen an.
Versuche, dich Gott mit deinem sehnenden Herzen zu nähern. Das wird dein seelenvolles, spirituelles Bewusstsein erwecken.


Sollten wir uns Gott besser in körperlicher, persönlicher oder in unpersönlicher Form vorstellen?

Sri Chinmoy: Es ist einfacher, sich Gott in Seinem persönlichen Aspekt zu nähern. Würden wir von Anfang an versuchen, in den unpersönlichen, gestaltlosen Gott einzugehen, könnte uns unser physischer Verstand, der sehr hinterlistig sein kann, von der Unwirklichkeit Gottes zu überzeugen versuchen, oder wir entwickeln vielleicht eine falsche Vorstellung von Gott. Die Vorstellungskraft an sich ist nicht schlecht, aber unsere Vorstellungen können lauter Hirngespinste sein. Sehen wir jedoch eine lichtvolle Gestalt vor uns und versuchen in deren Herz einzutauchen, so werden wir in ihr auch ihre gestaltlosen Aspekte vorfinden. Es ist leichter, von der Gestalt zum Formlosen vorzudringen.
Angenommen wir sehen jemanden vor uns stehen. Wenn wir wissen, dass diese Person unser Vater ist, können wir versuchen, sein Wissen, seine Weisheit und seine Fähigkeiten zu erfassen. Ihr Wissen hingegen ohne den persönlichen Vaterbezug zu ermessen wäre hingegen viel schwieriger. Wenn wir die Person als unseren Vater erkennen, strömen seine Zuneigung und Liebe sofort in uns ein und es fällt uns leicht, seine Fähigkeiten zu erkennen. Dann können wir seine Fähigkeiten nicht von seiner Wirklichkeit, seiner Erscheinung trennen.
Ein Befehlshaber hat ein großes Heer und vermag damit große Taten zu vollbringen. Mit einem Machtwort kann er Himmel und Erde in Bewegung setzen und die Welt in Erstaunen versetzen. Er spricht einen einzigen Befehl aus und schon zeigt sich überall seine Macht. Nachdem wir sowohl die Person als auch seine Fähigkeiten kennen gelernt haben, können wir die beiden nicht mehr voneinander trennen. Genauso ist es auch mit dem persönlichen Gott. Sobald wir Ihn sehen und begreifen, woher all diese ungeheure Macht kommt, können wir das Wesen nicht mehr von seinen Fähigkeiten trennen.
Lasst uns zuerst die Gestalt als Wirklichkeit ansehen und danach von der Form zur formlosen Wirklichkeit vordringen, denn das ist unendlich viel einfacher als umgekehrt.


Ich habe den Eindruck, als nähmen wir am Anfang unseres spirituellen Weges Gott mit Gestalt wahr, dass Er aber in dem Maße, wie unsere Verbindung, unser Einssein mit Ihm wächst, für uns zunehmend gestaltloser wird. Stimmt das?

Sri Chinmoy: Nein, das stimmt nicht. Wir haben die Vorstellung, das Formlose sei der Form überlegen. Wir glauben, der Supreme sei vor Beginn der Schöpfung formlos gewesen und hat später Gestalt angenommen, um zu uns zu kommen. Aber schau dir die Sonne an: Sie ist riesig, und doch erscheint sie uns wie eine kleine Scheibe. Warum? Nun, weil wir sie aus so großer Entfernung sehen.
In gleicher Weise verkörpern spirituelle Meister, große, gottverwirklichte Seelen, das höchste, unendliche Bewusstsein, wenn sie auf die Erde kommen. In ihrer irdischen Gestalt sind sie aber nicht mehr als 1.70 m groß oder noch kleiner. Glaubst du etwa, das würde ihrer inneren Höhe oder Tiefe Abbruch tun? Nein. Es ist wie bei der riesigen Sonne, die von hier aus klein aussieht. Wenn Materie von Bewusstsein beseelt wird, so nimmt diese eine bestimmte Gestalt an. Der Mensch ist in Wahrheit Seele und die Seele ist der Vertreter Gottes. Die Seele ist unendliches Licht, unendlicher Frieden und unendliche Glückseligkeit in Gott. Wir aber sehen die Seele nicht; wir sehen nur die begrenzte Körperhülle, die eine bestimmte Größe und ein bestimmtes Gewicht hat. So glauben wir, etwas außerhalb eines Körpers oder einer Form sei ausgedehnter. Das mag schon stimmen, aber es wäre ein Fehler zu behaupten, das Formlose sei wichtiger als die Gestalt. Die Vorstellung, je höher wir aufsteigen, desto mehr kämen wir mit dem Formlosen in Kontakt, ist falsch. Wenn wir uns weiter entwickeln, so heißt das nicht, dass diese Entwicklung hin zum Formlosen geschieht. Unser Ziel kann genauso der höchste Gott in Gestalt sein, welcher grenzenlose Zuneigung, Liebe, Anteilnahme und auch sonst alles in unbegrenztem Maße besitzt. Wir können über die Form hinausgehen, die unser Verstand konzipiert, niemals aber über die höchste Form.
Das Gestaltlose ist der Gestalt nicht überlegen. Beide sind gleich wichtig. Besonders am Anfang, bevor du Gott verwirklicht hast, ist es ratsam, der Gestalt große Bedeutung beizumessen. Wenn du von der Form zum Formlosen schreiten kannst, wirst du Freude fühlen. Umgekehrt jedoch wird es dir sehr schwer fallen oder unmöglich sein. Zuerst musst du einmal ins Wasser steigen und ein wenig schwimmen. Wenn du dann ein guter Schwimmer geworden bist, kannst du einen großen See überqueren. Willst du den See hingegen überqueren, ohne vorher schwimmen gelernt zu haben, wirst du nur ertrinken.


Glaubst du, dass die Visionen, die man von Gott hat, vom jeweiligen kulturellen Umfeld abhängen?

Sri Chinmoy: Das kulturelle Umfeld mag eine Vision in manchen Fällen beeinflussen, aber das muss nicht zwangsläufig so sein. Wenn wir durch die Kraft unseres spirituellen Strebens Verwirklichung erlangen, liegt es an Gott zu entscheiden, wie Er vor uns erscheinen will. In manchen Ländern herrschen sehr genaue Vorstellungen davon, wie Gott aussieht. Die indischen Götter und Göttinnen haben vielerlei Gestalt. Auch westliche Menschen haben Erfahrungen von indischen kosmischen Göttern, ohne je Bücher darüber gelesen zu haben.
Umgekehrt gibt es auch viele Inder, die sich weder mit der Bibel noch mit anderen westlichen Schriften auseinandergesetzt haben, aber Engel und andere Wesen sehen. Wenn religiöses Brauchtum ein bestimmtes Bild von Gott im Verstand formt, kann es schon sein, dass Gott den Suchenden in dieser Gestalt erscheint, wenn sie die Wahrheit erkennen und verwirklichen. In anderen Fällen mag Gottes Erscheinungsform allein von Seinem Willen abhängen, der in und durch die Sucher wirkt.


Wenn du vom geliebten Supreme sprichst, wie stellst du Ihn dir da vor?

Sri Chinmoy: Es ist keine Frage der Vorstellung, sondern der Erfahrung. Du magst den Supreme auf eine bestimmte Weise erleben, ich aber auf eine ganz andere. Jeder sieht den Supreme gemäß seines inneren Strebens, seiner Erfahrungen und seiner Verwirklichung auf andere, in jedem Fall aber auf überzeugende Weise.
Wenn ich auf der Suche nach einem Polizisten bin, freue ich mich, wenn ich jemanden in einer Polizistenuniform sehe, weil ich dadurch erkenne, dass er ein Polizist ist. Wenn du aber einen Polizisten kennst, dann erkennst du ihn auch ohne seine Uniform und kannst seine Hilfe in Anspruch nehmen. In gleicher Weise erfährt jemand, der schon im Einklang mit den höheren Wirklichkeiten ist, den Supreme in anderer Form als jemand, der die Erfahrung des Höchsten zum ersten Mal macht.
Es ist wie bei einem Kind, dessen Vater Richter ist. Es erkennt seinen Vater im Gerichtssaal auch im Talar. Jemand, der kein Familienmitglied ist, erkennt den Richter auf der Straße hingegen nicht. Genauso sieht jeder Mensch seinen geliebten Supreme auf individuelle und für ihn völlig überzeugende Weise.


Wie war deine Erfahrung von Gott?

Sri Chinmoy: Ich habe Gott sowohl in Seiner persönlichen als auch unpersönlichen Form erfahren. In einem Moment nehme ich Ihn vielleicht als Ausdehnung von Licht und Seligkeit wahr; im nächsten Moment kann Er die Gestalt eines strahlenden Wesens annehmen. Wenn wir den Höchsten verwirklichen, erkennen wir, dass Er gleichzeitig persönlich und unpersönlich ist. So wie Wasser Eis werden kann, so kann Er Gestalt besitzen oder nicht. Manchmal ist Wasser flüssig, sodass wir darin schwimmen können. Ein anderes Mal ist es fest und wir können darauf gehen. Auch im spirituellen Leben lieben wir manchmal den unpersönlichen Aspekt des Höchsten Absoluten und manchmal den persönlichen.
Das oder der Höchste steht über Dingen wie persönlich und unpersönlich, Form und Formlosigkeit, und gleichzeitig verkörpert Er sie beide. Der Höchste ist gleichzeitig mit und ohne Gestalt. Wenn wir mit einem Satz klarstellen sollten, was Er nun wirklich ist, so müssten wir sagen, dass Er beides ist und gleichzeitig über beidem steht. Wir können Gott nicht mit dem menschlichen Verstand erfassen. Zu Beginn ist Er dieses, dann jenes, und dann kommt der Zeitpunkt, wo Er über beides hinausgeht. Der Höchste ist die ewig über sich hinauswachsende Wirklichkeit. Das Jenseits von heute ist der Ausgangspunkt von morgen.


Wie erscheint dir der Supreme und welche Beziehung hast du zu Ihm?

Sri Chinmoy: Normalerweise sehe ich den Supreme in Gestalt eines goldenen Wesens, eines in höchstem Maße erleuchteten und erleuchtenden Wesens. Wenn wir hier auf Erden ein Kind als wunderschön bezeichnen, so beurteilen wir damit seine Gestalt. Doch der Supreme ist unendlich viel schöner als das schönste menschliche Kind, das wir uns vorstellen können. So sehe ich den Supreme, wenn ich mich mit Ihm unterhalte, und dies ist die Form, die ich am meisten liebe.
Unsere Beziehung ist wie die von Vater und Sohn. Aus Seiner unendlichen Güte heraus hat Er die Flamme des inneren Strebens in mir entzündet. Diese Flamme schlägt nun höher und höher. Mein inneres Streben umfasst bedingungslose Liebe, Ergebenheit und Selbsthingabe.
Im menschlichen Leben kann Vertrautheit zu mangelnder Achtung führen, aber im spirituellen Leben verstärkt sich die Vertrautheit zwischen dem Sucher und dem Höchsten Lenker nur. Vertrautheit tut der Süße, Liebe und Anteilnahme, die zwischen dem Sucher und dem Supreme fließen, keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie verstärkt diese Eigenschaften nur. Wenn ich mit dem persönlichen Aspekt des Supreme zu tun habe, verstärkt Er meine Liebe, Ergebenheit und Selbsthingabe. Er macht mir bewusst, was Er ewiglich ist. Je vertrauter wir mit Ihm werden, desto tiefer fühlen wir unser ewig erfüllendes Einssein mit Ihm.
Der persönliche Aspekt kann einem aufrichtigen Sucher niemals Probleme bereiten. Wenn zwei Menschen einander nahe kommen, ist ihre Beziehung oft nicht von Dauer, da sie schon bald die Schwächen des anderen erkennen. Der persönliche Aspekt des Supreme jedoch weiß, wer wir sind. Er betrachtet uns nicht als unvollkommen, sondern als erweiterten Teil Seiner selbst. Er kritisiert uns weder auf der physischen noch geistigen Ebene, und Er ist es, der uns zur ewig sich ausweitenden Vollkommenheit trägt.


Gott behandelt dich immer
wie Sein liebstes Kind.
Aber wo ist dein Herz,
um dies zu fühlen,
und wo dein Verstand,
um es zu glauben?


Versuche jeden Tag während deiner Meditation zu fühlen, dass du dich im Herzen Gottes, des Inneren Lotsen, befindest. Du hast den Supreme noch nicht gesehen, aber stelle dir einfach ein strahlendes, goldenes Wesen vor. Stelle dir vor, dass Er direkt vor dir steht oder dass du zu Seinen Füßen sitzt, auf Seinem Schoß oder in Seinem Herzen. Denke nicht daran, dass du achtzehn oder vierzig oder sechzig Jahre alt bist. Nein! Stell dir vor, dass du erst einen Monat alt bist und dich tief im Herzen des Supreme befindest oder auf Seinem Schoß sitzt.


Jeder Moment
bietet uns die Gelegenheit,
an Gott zu denken
und Gottes Gegenwart zu spüren.
Fühle bei allem, was du tust,
dass du den heiligen Atem
deines geliebten Supreme
berührst.


Ich habe völlig vergessen,
dass Gott alt ist.
Ich hätte so viel
von Ihm lernen können!

Ich habe völlig vergessen,
dass Gott jung ist.
Ich hätte Ihn
in meinen Herzensgarten einladen sollen,
um mit Ihm zu spielen!