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Gottverwirklichung


Kein Verstand, keine Gestalt – ich bin reines Sein;
Verebbt sind Wille und Gedanken.
Das letzte Ende des Spieles der Natur –
ich bin Es, das ich gesucht habe.

Ein Reich der Glückseligkeit, rein, absolut,
jenseits des Wissenden wie des Gewussten.
Eine unermessliche Ruhe genieße ich endlich;
mit dem Einen bin ich ganz allein.

Ich bin die geheimen Lebenspfade gewandelt;
ich bin zum Ziel geworden.
Die unveränderliche Wahrheit ist enthüllt;
ich der Weg, die Gott-Seele.

Mein Geist ist sich aller Höhen bewusst;
stumm weile ich im Herzen der Sonne.
Mit Zeit und Taten habe ich nichts zu schaffen:
mein kosmisches Spiel ist getan.


Man kann Gott sehen. Man kann Ihn fühlen. Man kann Ihn verwirklichen. Sieht man Ihn, so ist Er Existenz. Fühlt man Ihn, so ist Er Bewusstsein. Verwirklicht man Ihn, so ist Er Glückseligkeit. In Seiner Verkörperung von Existenz ist Er zeitlos. In Seiner Enthüllung von Bewusstsein ist Er unendlich. In Seiner Offenbarung von Glückseligkeit ist Er unsterblich. Seine transzendentale Schau und absolute Wirklichkeit sind des Menschen zukünftige Errungenschaften. Die sich ausweitende Liebe, sehnsüchtige Hingabe und glühende Überantwortung des Menschen sind Gottes zukünftige Besitztümer.


Die Welt vertraut dir ein
erschreckendes Geheimnis an:
Gott ist unnahbar;
Gott ist fordernd;
Gott ist streng.

Ich vertraue dir ein
erleuchtendes Geheimnis an:
Gott ist erreichbar;
Gott ist liebenswert;
Gott ist großmütig.

Gott ist erreichbar,
wenn dein Geist ruhig ist.
Gott ist liebenswert,
wenn dein Herz rein ist.
Gott ist großmütig,
wenn deine Seele sicher ist.


Um Gott zu verwirklichen, brauchen wir zu allererst Gemütsruhe. Wie können wir diese erlangen? Dafür gibt es einige Wege. Wir können Gemütsruhe erlangen, indem wir unsere irdischen Bedürfnisse vermindern und unsere himmlischen Bedürfnisse vermehren. Ein weiterer Weg besteht darin, von niemandem etwas zu erwarten, außer von Gott. Solange wir menschliche, irdische Erwartungen haben, können wir keine Gemütsruhe erlangen. Auch Entsagung – im positiven oder negativen Sinn – bringt uns keine Gemütsruhe, sondern einzig bejahende Annahme. Wir müssen die unumstößliche Wirklichkeit Gottes in der Welt annehmen. Anschließend müssen wir mit unserer inneren Sehnsucht, unserem Emporstreben, Empfänglichkeit in unserem Körperbewusstsein schaffen, um Gott, den Höchsten Geliebten, mit Seinem grenzenlosen Licht und Seiner grenzenlosen Glückseligkeit willkommen heißen zu können.
Um Gott zu verwirklichen, brauchen wir auch Reinheit, besonders in unserem emotionalen Vitalen, dem Zentrum unserer Lebensenergie. Sobald wir dieses läutern, erkennen und fühlen wir Gottes Gegenwart. Danach müssen wir unseren Verstand läutern. Wenn wir das geschafft haben, werden wir Gott auf äußerst vertraute Weise sehen können. Dann müssen wir mit Ihm ständig in Verbindung bleiben. Um mit Ihm ständig in Verbindung zu bleiben, müssen wir in unserem Herzen das sehnsüchtige Verlangen danach wecken. Es muss zu einem wirklichen Verlangen unseres Herzens werden. Schließlich werden wir Gott unweigerlich sehen und mit Ihm sprechen können, zu Seinem Ebenbild werden und als Gottes bedingungslos ergebene Werkzeuge eine bewusste Rolle in Seinem kosmischen Spiel übernehmen.
Wo immer wir sind, dort ist auch Gott. Um diese höchste Wahrheit zu erkennen, müssen wir zurückgeben, was wir uns von der Welt geborgt haben: Dunkelheit, Unwissenheit, Bindung, Beschränkung, Unvollkommenheit und Tod. Das alles haben wir uns ausgeborgt, weil wir meinten, es würde uns gute Dienste leisten. Jetzt aber wird uns bewusst, dass es wirkliche Hindernisse sind. Daher müssen wir diese Dinge zurückgeben und das, was wir in der Tiefe unseres Wesens besitzen – Frieden, Licht, Seligkeit und Wahrheit – vermehren und zum Vorschein bringen, denn sie sind die eigentliche Wirklichkeit unseres Daseins. Was wir ewiglich sind, müssen wir unser Eigen nennen und der gesamten Welt darbringen. Wenn wir das tun, werden wir wissen, wer Gott ist und wo Er ist.


In dem Moment, da du erkennst,
wer du wirklich bist,
werden alle Geheimnisse dieser Welt
ein offenes Buch für dich sein.


Was ist mit „Gottverwirklichung“ genau gemeint?

Sri Chinmoy: Gottverwirklichung bedeutet Selbst-Entdeckung im tiefsten Sinn des Wortes. Es bedeutet die bewusste Verwirklichung deines Einsseins mit Gott. Solange du dich noch in Unwissenheit befindest, hast du das Gefühl, Gott sei jemand anderer, der unbeschränkte Macht besitzt, während du der schwächste Mensch auf Erden bist. In dem Augenblick jedoch, in dem du Gott verwirklichst, wird dir bewusst, dass du und Gott sowohl im inneren als auch im äußeren Leben völlig eins seid.
Gottverwirklichung bedeutet deine Identifikation mit deinem eigenen absolut höchsten Selbst. Du magst Bücher über Gott gelesen haben und man hat dir gesagt, dass Gott in jedem Menschen sei; doch solange du Gott nicht verwirklicht hast, bleibt das alles reine Theorie. Wenn du Gott verwirklicht hast, weißt du, was Gott ist, wie Er aussieht und was Sein Wille ist. Du verbleibst in Gottes Bewusstsein und sprichst mit Ihm von Angesicht zu Angesicht. Du erkennst Gott sowohl im Endlichen als auch im Unendlichen, sowohl in Seinem persönlichen als auch in Seinem unpersönlichen Aspekt.
Dabei handelt es sich um keine Sinnestäuschung oder Einbildung, sondern um unmittelbare Wirklichkeit. Wenn man mit einem Menschen spricht, liegt immer ein Schleier der Unwissenheit, Dunkelheit, Unvollkommenheit und des Missverstehens dazwischen. Aber zwischen Gott und dem inneren Wesen eines Menschen, der Ihn verwirklicht hat, kann es keine Unwissenheit und keinen Schleier geben. Deshalb kann man mit Gott klarer, vertrauter und offener sprechen als mit jedem Menschen.


Ist es die Seele, die Gott verwirklicht?

Sri Chinmoy: Die Seele ist ein Teil Gottes und Ihm ewiglich ergeben. Unser Körper, unser Vitales, unser Verstand und unser Herz sind es, die Gott noch nicht verwirklicht haben. Die Seele weiß, wer Gott ist, wo Gott ist und was Gott ist, doch der Mensch hat nur flüchtige Einblicke. Er muss zuerst Spiritualität und innere Disziplin üben, um so das Höchste zu verwirklichen.
Wenn das Menschliche in uns das Höchste verwirklicht, unterscheidet uns nichts mehr von Gott. Dann werden unser Körper, Vitales und Verstand untrennbar eins und verkörpern, enthüllen und manifestieren das Höchste. Es gibt keinen Unterschied zwischen diesem erleuchteten Bewusstsein und der Höchsten Wirklichkeit selbst.
Es ist daher unser menschlicher Teil, der Gott verwirklicht, nicht die Seele. Die Seele muss Gott in die Welt tragen, denn dafür ist sie auf die Erde gekommen.


Um Gottverwirklichung zu erlangen,
musst du nur drei
wichtige Lektionen lernen:
Liebe Gott inniglich,
gib dich Gott unentwegt hin
und überantworte dich bereitwillig,
freudig und unermüdlich
Seinem Willen.


Was ist der Unterschied zwischen einer Vision Gottes und der Gottverwirklichung?

Sri Chinmoy: Es besteht ein großer Unterschied darin, Gott zu sehen und Gott zu verwirklichen. Wenn wir Gott sehen, können wir Ihn in Gestalt eines Menschen, eines Gegenstandes oder als etwas anderes sehen. Das bedeutet aber nicht, dass wir Ihn bewusst und ununterbrochen verkörpern und als unser Eigen fühlen. Was wir nicht verkörpern, können wir auch nicht enthüllen und manifestieren. Verwirklichen wir jedoch Gott, werden wir eins mit Gottes Bewusstsein und Gott wird Teil unseres Lebens.
Wenn wir etwas sehen, mag es nach wenigen Augenblicken wieder verschwinden; verwirklichen wir hingegen etwas, bleibt dieses Wissen für immer in uns. Zwischen Erfahrung und Verwirklichung besteht ein großer Unterschied. Erfahrungen halten für ein paar Stunden, Tage oder auch Jahre an, doch nicht für immer. Sie kommen in unser Leben und verlassen uns wieder. Erlangen wir hingegen Verwirklichung, wird diese Teil unseres Lebens und bleibt uns ewig erhalten.


Wie kann man sicher sein, dass es so etwas wie Gottverwirklichung gibt, und wie weiß man, wann man Gott verwirklicht hat?

Sri Chinmoy: Viele Menschen haben Gott verwirklicht. Das ist weder meine Theorie noch meine Entdeckung. Indische Heilige und Meister aus uralter Zeit haben die Wahrheit entdeckt und auf Grund meiner eigenen Verwirklichung kann ich ihnen hundertprozentig Recht geben. Wenn du eine Mango isst, weißt du nachher, dass du sie gegessen hast. Das Wissen bleibt in dir. Wenn andere es in Frage stellen und behaupten, du habest keine Mango gegessen, berührt es dich nicht, denn du weißt, was du getan hast. Solange dein Hunger gestillt ist, brauchst du weder die Billigung noch die Anerkennung anderer Menschen. Der köstliche Geschmack, den du genossen hast, die Erfahrung, ist für dich Beweis genug. In der spirituellen Welt ist es genauso: Wer den Nektar der Verwirklichung gekostet hat, weiß, dass er Gott wahrhaftig verwirklicht hat. Im inneren Bewusstsein fühlt man dann unbegrenzten Frieden, unbegrenztes Licht, unbegrenzte Seligkeit und unbegrenzte Macht. Wer Gott verwirklicht hat, sieht, fühlt und weiß in seinem inneren Bewusstsein, was Göttlichkeit bedeutet. Er hat freien Zugang zu Gott und fühlt sich vollkommen erfüllt. Sobald die Verwirklichung Gottes im Leben eines Suchers dämmert, wird er es unweigerlich wissen.


Wie weiß man,
dass man Gott verwirklicht hat?
An dem Tag,
an dem du in den Spiegel schauen
und mit Hilfe deiner inneren Willenskraft
nicht nur dein eigenes Gesicht,
sondern unzählige andere Gesichter
in deinem Gesicht und rundherum
wahrnehmen kannst
und gleichzeitig weißt, dass diese Gesichter
alle deine eigenen sind –
an diesem Tag wirst du wissen,
dass du Gott verwirklicht hast.


Ist es sicher, dass jeder Mensch Gott verwirklichen und die Erde erleuchtet wird?

Sri Chinmoy: Es ist absolut sicher, dass jeder Mensch Gott verwirklichen wird. Und nicht nur jeder Mensch wird verwirklicht werden; auch alle Seelen, die im Tierreich leben, werden im Laufe der Zeit zu Menschen und irgendwann danach verwirklicht. Kein Teil von Gottes Schöpfung wird unverwirklicht und unerleuchtet bleiben. Die Erde wird auf jeden Fall erleuchtet werden; es ist nur eine Frage der Zeit. Gottes gesamte Schöpfung muss Gott verwirklichen. Das ist Gottes Beschluss, ohne den sich Sein Spiel nicht erfüllt.


Gottes Herzenstür
steht dir immer weit offen,
damit du nach Belieben
ein- und ausgehen kannst.
Wenn du aber weise bist,
wirst du nicht wieder fortgehen!


Was ist der Unterschied zwischen einer mystischen Erfahrung und Gottverwirklichung?

Sri Chinmoy: Die Erfahrung der Gottverwirklichung ist unvergleichlich viel höher als eine mystische Erfahrung. Wenn du eine mystische Erfahrung machst, fühlst du Gottes Gegenwart als etwas äußerst Süßes und Zartes, aber sie ist nicht bleibend. So schnell, wie du sie gewonnen hast, kannst du sie auch schon wieder verlieren. Gottverwirklichung hingegen ist dauerhaft. Sie ist eine Errungenschaft, die dir niemand mehr nehmen kann.
Ein Mystiker steht weit unter einem Yogi. Man kann sie gar nicht vergleichen. Ein Mystiker gibt sich mit Erfahrungen zufrieden. Er möchte Wissenslicht erwerben, ohne sich dabei jedoch um die Welt zu kümmern. Er sucht allein nach der Erfahrung, die ihn schlussendlich mit Gott verschmelzen lässt. Ein Yogi hingegen dient dem Supreme ständig und bedingungslos und macht dabei unentwegt Gotteserfahrungen.


Wenn Gott in uns ist und wir wissen, dass wir eines Tages Gott verwirklichen werden, warum müssen wir dann überhaupt Yoga üben?

Sri Chinmoy: Eines Tages werden wir alles verwirklichen, was natürlich ist. Gott ist ganz natürlich, also werden wir Ihn eines Tages verwirklichen. Diejenigen jedoch, die keinerlei spirituelle Disziplin üben, werden bis in alle Ewigkeit auf die Gottverwirklichung warten müssen. Gott hat uns mit einem bewussten Verstand und bewusster Strebsamkeit ausgestattet. Wenn wir sie nicht einsetzen wollen, können wir warten. Gott zwingt uns zu nichts. Wenn wir möchten, können wir schlafen. Aber wenn wir bewusst beten und meditieren, werden wir Gott früher verwirklichen. Jeder wird ans Ziel gelangen, aber wer schläft, wird es nicht so schnell erreichen wie derjenige, der läuft. Eines Tages wird jedermann Gott verwirklichen. Das ist Seine kosmische Vision und Er wird nicht zulassen, dass jemand unverwirklicht bleibt. Aber es wird sehr lange Zeit dauern.


Warum macht es Gott den Suchern so schwer, Ihn zu verwirklichen?

Sri Chinmoy: Den aufrichtigen Suchern macht es Gott überhaupt nicht schwer. Für die aufrichtigen Sucher ist der Weg sehr kurz. Nur für die zweifelnden Sucher ist er lang. In einem Augenblick magst du das Gefühl haben, Gott sei dir gnädig, doch dann erlebst du einen Rückschlag oder bekommst Schmerzen und verlierst sogleich deinen Glauben. Ein unbewusster Teil von dir könnte sagen: „O Gott, warum bist du so grausam zu mir? Heute Morgen habe ich so gut meditiert – wie kann es sein, dass mein Körper nun leiden muss?“ Kannst du aber deine Einstellung gegenüber Gott ändern und stattdessen sagen: „Ich mag zwar große Schmerzen erleiden, aber wer weiß – vielleicht hätte mir etwas viel Schlimmeres zustoßen sollen und Gott hat mich davor bewahrt? Gott ist so gut zu mir!“, wird dir dein Weg sofort leichter fallen.
Der Weg wird nur denjenigen lang, die keine Dankbarkeit für Gott empfinden. Wenn dir etwas Schlimmes passiert, dann denke sofort: „Es hätte noch weit schlimmer kommen können, aber Gott hat mich in Seiner unendlichen Gnade davor bewahrt.“ Mit dieser Einstellung wird dein Weg sehr, sehr einfach.


Gott ist bereit,
dir sofortige Verwirklichung
zu gewähren.
Wirst du bereit sein,
sie durch unentwegtes Emporstreben
zu empfangen?


In einem Ihrer Bücher steht: „Wenn man Gott sehen will, muss man zwölf Stunden am Tag meditieren. Will man Gott von Angesicht zu Angesicht schauen, so muss man vierundzwanzig Stunden am Tag meditieren.“ Ist das möglich?

Sri Chinmoy: Wenn Sie an der Schwelle der Verwirklichung stehen, ist es möglich, denn zu diesem Zeitpunkt haben Sie bereits beträchtliche Fähigkeiten erworben. Dann werden Sie ausgezeichnet meditieren können, selbst während Sie essen, sprechen oder Ihrer Arbeit nachgehen, und auch die Fähigkeit besitzen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Wenn Sie in Ihrem inneren Leben großen Fortschritt gemacht haben, werden Sie sehen, dass Ihr inneres Wesen vierundzwanzig Stunden am Tag meditiert.


Was halten Sie für das größte Hindernis auf dem Weg zur Gottverwirklichung?

Sri Chinmoy: Das größte Hindernis ist nicht für jeden dasselbe. Des einen größtes Hindernis ist Zweifel, für jemand anderen ist es Angst und für eine dritte Person Unsicherheit. All diese Schwierigkeiten können mit einer einzigen Waffe überwunden werden, und das ist die Liebe.
Betrachten wir Hindernisse als Unzulänglichkeiten. Ein Kind spielt am Spielplatz und macht sich dabei schmutzig. Dann läuft es einfach zu seiner Mutter und sie macht es wieder sauber. Es ist die Pflicht der Mutter, das Kind zu waschen. Wenn das Kind fürchten müsste, dass seine Mutter es schimpfen und schlagen wird, weil es schmutzig ist, so würde es gar nicht zu ihr gehen. Aber ein Kind empfindet nicht so. Zunächst einmal fühlt es sich gar nicht schmutzig. Und wenn es zu seiner Mutter kommt, spürt es nur ihre Liebe. Seine Mutter ist sein ein und alles und es hat jederzeit einen freien Zugang zu ihr.
Wenn wir von Zweifel, Angst oder anderen negativen Eigenschaften und Unvollkommenheiten geplagt werden, laufen wir doch einfach wie ein Kind zu unserem ewigen Vater. Er ist da, um uns zu läutern, zu erleuchten, zu befreien und uns alles zu geben, was Er besitzt. Der ewige Vater ist immer für uns da, aber unserer physischer Verstand denkt: „Gott wird mit uns nicht zufrieden sein. Er wird uns nicht aufnehmen, weil wir so schmutzig, unvollkommen und unrein sind.“
Der physische Verstand trennt uns augenblicklich. Er gibt uns das Gefühl, die Unvollkommenheit selbst zu sein, während Gott die Vollkommenheit selbst ist. Wie können wir uns Ihm also auch nur nähern? Fühlen wir hingegen, dass Gott ganz uns gehört und Er voller Liebe für uns ist und wir voller Liebe für Ihn, dann laufen wir einfach los und lassen uns zu Seinen Füßen nieder. Dann gibt es keine Hindernisse mehr.


Mein erster Eindruck von Gott: Er ist viel nachsichtiger, als ich dachte!


Wir müssen fühlen, dass wir genau das sind, was Gott ist. Wir sind es schon jetzt, nur ist es uns noch nicht bewusst. Wir müssen fühlen, dass Gott uns erschaffen hat, und Er möchte, dass wir zu Seinem Ebenbild werden. Unser Verstand baut Barrikaden auf, aber wir haben auch ein Herz. Wenn das Herz zum Vorschein kommt, empfinden wir sofort große Freude, Erleichterung und Befriedigung. Wir fühlen, dass Gott uns gehört. Mit unserem Herzen empfinden wir Gott aufgrund unseres Einsseins als unser eigen. Wenn wir unser Herz gebrauchen, kann es kein Hindernis geben, das nicht überwunden werden könnte. So wie ein Kind Einssein mit seiner Mutter entwickelt hat, so können auch wir aufgrund unserer spontanen Liebe Einssein mit Gott entwickeln.


Gottverwirklichung bedeutet Gott-Entdeckung,
und Gott-Entdeckung bedeutet nichts anderes,
als zu unseren Gotteswurzeln
zurückzukehren.


Wenn jemand Gottverwirklichung erlangt, was geschieht dann mit seiner Seele?

Sri Chinmoy: Sri Chinmoy. Die verwirklichte Seele bleibt im Körper. Wenn die Seele im Körper eines gottverwirklichten Menschen bleibt, kann dieser bewusst für das Göttliche in der Menschheit arbeiten. Dabei wird er fühlen, dass er ein bewusstes Instrument Gottes ist, dass Gott zugleich der Handelnde und die Handlung ist und Gott ihn gebraucht. Wenn der Schleier der Unwissenheit gelüftet ist, bekommt die Seele die große Gelegenheit, Gottes Auftrag hier auf Erden zu erfüllen.


Muss man mit einem verwirklichten Menschen in Kontakt kommen, um Gott zu verwirklichen?

Sri Chinmoy: Es ist nicht unbedingt nötig oder verpflichtend, einen lebenden Meister zu haben, aber es kann eine beträchtliche Hilfe sein. Der erste Mensch, der Gott verwirklichte, schaffte es ohne fremde Hilfe. Gott selbst gab ihm die Gottverwirklichung. Aber mit einem lebenden Meister haben wir mehr Überzeugung und Vertrauen in uns selbst.


So wie wir Lehrer brauchen, um äußeres Wissen zu erlangen, so brauchen wir auch einen spirituellen Meister, der uns in unserem inneren Leben hilft und anleitet, besonders am Anfang. Sonst wird unser Fortschritt sehr langsam und unsicher sein. Der Meister ermutigt und inspiriert den Sucher und kann ihm seine Erfahrungen erklären. Und wenn der Sucher in seiner Meditation etwas falsch macht, wird ihn der Meister korrigieren können. Weshalb besucht man eine Universität, wenn man auch zu Hause studieren kann? Weil man dort von Fachleuten unterrichtet wird, die ihr Gebiet beherrschen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Es gibt einige wenige – sehr, sehr wenige – wirklich gebildete Menschen, die nie eine Universität besucht haben. Gott ist in jedem von uns und wenn ein Sucher meint, keine menschliche Hilfe zu benötigen, so steht es ihm völlig frei, es allein zu versuchen. Aber wenn jemand weise ist und zu seinem Ziel laufen möchte, anstatt nur zu torkeln oder zu gehen, dann kann ein Guru für ihn eine beträchtliche Hilfe darstellen.
Nehmen wir an, ich befinde mich in London. Ich weiß, dass New York existiert und dass ich dorthin zurückkehren muss. Was brauche ich nun, um dort hin zu gelangen? Ein Flugzeug und einen Piloten. Obwohl ich weiß, dass New York existiert, kann ich es nicht alleine erreichen. Genauso weißt du, dass Gott existiert. Du willst zu Ihm gelangen, aber jemand muss dich hinbringen. So wie mich das Flugzeug nach New York bringt, so muss dich jemand zum Bewusstsein Gottes bringen, das tief in deinem Innern ist. Jemand muss dir zeigen, wie du in deine eigene Göttlichkeit eintauchen kannst, die nichts anderes als Gott ist. Seit Jahrtausenden schwimmen wir im Meer der Unwissenheit. Sobald wir jedoch innerlich erwachen, wollen wir dieses Meer hinter uns lassen und im Ozean des Lichts und der Glückseligkeit schwimmen. Wenn wir nun wissen, dass es einen Fährmann gibt, der uns in seinem Boot sicher an unser Ziel bringen kann, werden wir natürlich versuchen, seine Hilfe zu erhalten. Ein echter spiritueller Meister kennt den Weg und wird uns immer helfen, das Ziel zu erreichen. Wie ein Fährmann wird er uns ans andere Ufer bringen.
Wenn wir sehen, dass jemand Hilfe angenommen hat, denken wir in unserem menschlichen Leben oft: „Aha, er hat es nicht alleine geschafft.“ Aber wer wirklich nach Gott hungert, wird sagen: „Es spielt keine Rolle, wer mir zu essen gibt – ich bin hungrig und möchte nur so schnell wie möglich essen. Das ist die Nahrung, nach der ich mich schon mein ganzes Leben lang gesehnt habe, und er bietet sie mir jetzt an. Solange er mir wahre Göttlichkeit gibt, will ich sie gerne annehmen.“